Agrar Magazin

Getreide kann Fungizidresistenz zeigen

Wie können Landwirte Fungizidresistenzen vorbeugen?

Effiziente Fungizidmaßnahmen sind für einen ertragreichen Getreideanbau unverzichtbar. Insbesondere mit modernen SDHI-Fungiziden stehen zusammen mit Azolen leistungsfähige Produkte zur Verfügung. Resistenzentwicklungen zeigen aber auch, dass die Wirkstoffe durch einen klugen Einsatz geschützt werden müssen.
Wirkstoffe aus der Fungizidgruppe der SDHIs blockieren hochspezifisch am Komplex II der Atmungskette (Succinate-DeHydrogenase-Inhibitor) und unterbinden bereits bei sehr geringen Konzentrationen die Sporenkeimung und damit die Infektion der Pflanze. Azole (DMIs = DeMethylierungs-Inhibitoren) hemmen die Ergosterolsynthese in den Zellen der Schaderreger, auch nach bereits erfolgter Infektion.

Erfahrungen mit Strobilurinen sind nicht übertragbar

Andererseits wird von der Wissenschaft in steigender Studienanzahl über das Auffinden resistenter Isolate verschiedener Getreidepathogene berichtet, und diese Berichte werden wiederum in unterschiedlichem Maß interpretiert sowie in individuellen Anwendungsempfehlungen verschieden berücksichtigt. Bei den Strobilurinen führte vor einigen Jahren die großflächige Verbreitung einer Mutation zum nahezu vollständigen Wirkungsverlust dieser Wirkstoffgruppe im Weizen gegen Septoria und Mehltau.

Von der Entwicklung bei den Strobilurinen lässt sich jedoch nicht auf die Situation bei den Azolen oder SDHIs schließen. Hier finden Sensitivitätsveränderungen langsamer, in anderer Form, und zumeist in geringerer geographischer Ausbreitung statt, womit Azole und SDHI weiterhin die Grundsäulen in der Getreidekrankheitsbekämpfung darstellen.
Detailaufnahme Septoria am Getreide
Septoria tritici

Der Pilz ist einer der bedeutensten Schädlinge im Getreide. Er ist der Erreger der Blattdürre auf Weizen, Triticale, Roggen und Gräsern.

In den oben genannten Sensitivitätsanalysen fallen Begriffe wie Kreuzresistenz oder inkomplette Kreuzresistenz, Resistenz-Faktor, EC50-Wert, aber auch Fitness-Nachteil.

Dahinter verbergen sich recht komplexe Sachverhalte, die sowohl die verschiedene Wirkungshöhe der einzelnen Fungizid-Wirkstoffe, also unterschiedlicher SDHIs und DMIs, gegenüber diversen Pilzisolaten mit Mutationen am Wirkort beschreiben, als auch den möglichen negativen Effekt, den solch eine Mutation für den Stoffwechsel des Erregers haben kann.

Wir wissen mittlerweile, das z. B. je nach Art der Mutation(en) im Septoria-Isolat, diese entweder
• keinen,
• einen unterschiedlichen (inkomplette Kreuzresistenz bei Wirkstoffen mit gleicher Wirkungsweise), oder
• einen stets starken Einfluß auf die Wirkhöhe ausüben kann (eindeutige Kreuzresistenz), oder
• sich einfach nicht weiterverbreiten (Fitness-Nachteil).

Doch wie können SDHIs und Azole nun bestmöglich eingesetzt werden, um einer weiteren Resistenz-Verbreitung entgegenzuwirken? Seit der Einführung der SDHIs wird über deren Häufigkeit und Art der Anwendung im Getreide diskutiert, vor allem mit Blick auf mögliche Resistenzbildungen. SDHIs haben nach FRAC (Fungicide Resistance Action Committee) ein mittleres bis hohes Resistenzrisiko. Daher wird empfohlen, diese nicht solo einzusetzen, sondern nur in Kombination mit leistungsstarken, nicht-kreuzresistenten Partnern sowie die Zahl der Anwendungen entsprechend der FRAC-Empfehlungen zu beschränken (www.frac.info). Ihre besondere Stärke entfalten die Fungizide laut FRAC bei einer präventiven und frühen Anwendung. Beim kurativen Einsatz – und insbesondere ohne ausreichend wirksamen Anteil des systemischen Partner-Wirkstoffs (zumeist ein Azol) – erhöht sich die Gefahr der Selektion und Verbreitung von Resistenz, auch für den (Azol-)Partner.

Umfangreiche Untersuchungen sollen Sicherheit bringen

Um eine fachliche Grundlage für diese Diskussion zu schaffen, hat Bayer in Zusammenarbeit mit Forschern von Rothamsted Research in England zunächst mit im Labor generierten SDHI-resistenten Septoria-Isolaten das Kreuzresistenz-Verhalten gegenüber Bixafen und Fluopyram (beides SDHI-Wirkstoffe unterschiedlicher chemischer Klassen) getestet, sowie mit tausenden Feld-Stämmen aus Blattproben deren Sensitivität gegenüber diesen beiden SDHIs sowie gegenüber Azolen über viele Jahre bei EpiLogic (Freising) untersuchen lassen.

Bei diesen Untersuchungen wurden bis 2015 keine Auffälligkeiten bei der Sensitivität von S. tritici gegenüber Bixafen festgestellt. Seit 2015 lassen sich jedoch in Europa einzelne Isolate auffinden, die z. B. gegenüber Bixafen eine geringere Sensitivität aufweisen. Andererseits handelt es sich hier zumeist um Stämme mit Mutationen, die für Bixafen noch zu vergleichsweise niedrigen bzw. moderaten Resistenz-Faktoren (RF) führen. (RF = Sensitivität aktueller Isolate/Sensitivität von Wildtyp-Isolaten in mg/l Wirkstoff) von <20 bis 30). Diese RF können jedoch wirkstoffspezifisch variieren und für andere SDHIs höher ausfallen, sodass diese Isolate bei steigendem Vorkommen auch durchaus einen Einfluß auf die Wirksamkeit entsprechender Produkte haben können.

Bis heute finden wir in unserem Monitoring nur wenige Isolate mit Mutationen, die zu eindeutig zu hohen Resistenz-Faktoren für Bixafen führen. Erste Studien geben Grund zu der Annahme, das diese Isolate jedoch wahrscheinlich einem sogenannten Fitnessnachteil unterliegen, was bedeutet, dass sie sich nicht gut vermehren können. Interessanterweise belegen aktuelle Kreuzresistenzstudien bei EpiLogic zudem die zuvor erhaltenen Erkenntnisse ähnlicher Studien aus Rothamsted: die inkomplette Kreuzresistenz zwischen  Bixafen und Fluopyram, ersichtlich aus den meistens gegensätzlich verlaufenden RF auffälliger Isolate.

Azole schützen

Es wird deutlich, das Septoria-Isolate, die eine niedrige Sensitivität gegenüber Bixafen aufweisen, oft im normal-sensitiven Bereich von Fluopyram liegen, und andere Isolate, bei denen Fluopyram eine geringe Sensitivität zeigt, wiederum normalsensitiv gegenüber Bixafen sind und dementsprechend kontrolliert werden. Somit ermöglicht die Kombination von zwei SDHI mit inkompletter Kreuzresistenz zueinander, wie zum Beispiel Bixafen und Fluopyram, aufgrund dieser komplementären Effekte eine bessere Vermeidung von Auftreten und Verbreitung mindersensitiver Septoria-Isolate als beim Einsatz von nur einem SDHI, und somit zudem einen stärkeren Schutz des Azols. Bei den DMIs gibt es oft inkomplette Kreuzresistenzmuster, was bei einem Vergleich der Resistenzfaktoren zwischen Prothioconazol und Tebuconazol besonders deutlich wird.
Mehltau und Septoria an Weizen
Echter Mehltau und Septoria tritici

Getreide wird haufig von Mehltau und Blattdürre betroffen, wie hier zu sehen ist.

Fazit für die Praxis

Beim Fungizid-Resistenzmanagement ist nicht nur die Vermeidung von SDHI-Resistenzen wichtig. Vor dem Hintergrund immer weniger am Markt erhältlicher Azole, ist deren Wirkungserhalt eine der wichtigsten Herausforderungen für den zukünftigen Fungizideinsatz.

Es besteht generelle Kreuzresistenz zwischen allen SDHIs und zwischen allen DMIs, nur der Einfluß individueller Mutationen auf die Wirkhöhe der einzelnen Substanzen kann stark variieren (inkomplette Kreuzresistenz). Das kann selbst bei einer Mischung der zwei SDHI-Wirkstoffe Bixafen und Fluopyram zu wertvollen, komplementären Effekten führen.

Azol-angepasste Isolate führen bei Prothioconazol zu deutlich niedrigeren Resistenzfaktoren als z. B. bei Tebuconazol, und somit ebenfalls zu deutlich sichtbarerer inkompletter Kreuzresistenz.

Um beiden Resistenz-Geschehen (Vorkommen von Isolaten mit SDHI- und DMIrelevanten Mutationen) Rechnung zu tragen, sind im Rahmen eines zur Zeit bestmöglichen Resistenz-Managements unbedingt Mischungen von nicht-kreuzresistenten Partnern einzusetzen, wobei im Falle von SDHI/Azol-Mischungen die Höhe der Aufwandmenge für das Azol von entscheidenderer  Bedeutung ist als die Anzahl der Applikationen. Nach FRAC sollte der Mischpartner so eingestellt sein, dass die gewählte Dosierung alleine schon eine ausreichende Wirkung gewährleistet.Komplementäre Effekte, wie bei Azolen und auch teilweise bei SDHIs sichtbar, sind durchaus hilfreich und sollten, wo möglich, ausgenutzt werden.

In der Gerste tragen mittlerweile insbesondere Netzflecken- und Ramularia-Isolate  SDHI-relevante Mutationen, die jedweden Einsatz von solo SDHIs nicht erlauben. Auch zukünftige Gerstenstrategien mit oder ohne Strobilurin, wirksam gegen Rost, Rhynchosporium und Netzflecken, sollten daher ein effektives Azol zur Absicherung gegen Netzflecken, als auch ein Multi-Site zur Absicherung gegenüber Ramularia beinhalten. Der wahrscheinliche Wegfall des Multi-Site-Wirkstoffes Chlorthalonil, vor allem für die Bekämpfung der hoch anpassungsfähigen Ramularia, erschwert die Situation in Gerste. Somit wird ein nachhaltiger Einsatz von Wirkstoffen im Hinblick auf Wirkungserhalt sowie Resistenzmanagement in Zukunft weiter in den Fokus rücken und innovative Fungizide eine noch bedeutendere Rolle im modernen Getreidebau spielen.
Dieser Artikel erschien zuerst im Getreidemagazin 3/2019 // Autor: Dr. Andreas Mehl, Resistenzforschung Fungizide, Bayer AG, Division Crop Science
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