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Agrar Magazin
Herr Dr. Strek, ist eine einzelne Gras oder Unkrautpflanze schon ein Problem?
Dr. Strek: Eine einzige Pflanze, zum Beispiel pro Quadratmeter, klingt zunächst in der Tat nicht sehr alarmierend. Aber das gilt nur kurzfristig. Wir müssen ja immer daran denken, wie stark sich Pflanzen vermehren können. Eine einzige Ackerfuchsschwanzpflanze etwa setzt Hunderte Samen frei.
Das heißt, im nächsten Jahr werden daraus schon Hunderte neue Ackerfuchsschwanzpflanzen?
Dr. Strek: Nicht ganz. Denn nicht jeder Samen überlebt und keimt erfolgreich. Aber es genügt, wenn lediglich fünf Samen im Folgejahr keimen, wie das folgende Rechenbeispiel zeigt: Denn bereits ein Jahr später sind das dann schon 25 Pflanzen. Und im fünften Jahr haben Sie weit mehr als 1.000 Pflanzen - pro Quadratmeter.
Okay. Aber selbst wenn ich mal Pech hatte und die Ackerfuchsschwanzpopulation auf meinem Feld stark zugenommen hat: Genügt es dann nicht, einmal richtig zu
behandeln oder alles gut unterzupflügen, und das Problem ist wieder behoben?
Dr. Strek: Das könnte man zunächst meinen. Aber im Hinblick auf die Resistenzproblematik muss uns immer klar sein: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich
Resistenzen bilden, nimmt mit der Anzahl der Pflanzen zu. Je mehr Ackerfuchsschwanzpflanzen auf einem Feld stehen, desto eher wird eine dabei sein, die plötzlich resistent gegen einen Wirkstoff oder einen Wirkmechanismus wird. So eine Mutation ist ein ganz natürlicher Prozess, der jederzeit passieren kann.
Und je mehr Pflanzen im Spiel sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht?
Dr. Strek: Richtig. Ist eine Pflanze erst einmal resistent geworden, dann kommt die von Ihnen vorgeschlagene Behandlung zu spät. Und da die Resistenz auch im Erbgut aller Samen verankert ist, sind auch alle Nachkommen resistent – und lassen sich von der betreffenden Wirkstoffklasse nicht mehr kontrollieren. Selbst das Unterpflügen würde übrigens nur vorübergehend helfen. Die Samen keimen dann vielleicht nicht sofort. Aber einige überleben auch in der Tiefe mehrere Jahre - und sind beim nächsten Pflügen dann wieder oben. Es ist also sehr schwierig, eine Resistenz wieder loszuwerden.
Rund 80 %
Dr. Strek: Alle Erfahrungen zeigen, dass ein integriertes Unkrautmanagement den größten Erfolg verspricht. Der richtige Einsatz von Herbiziden gehört ebenso dazu wie ackerbauliche Maßnahmen, etwa die Wahl des Saattermins, eine gute Fruchtfolge oder gelegentliche Bodenbearbeitung.
Herbizide besser im Herbst oder im Frühjahr einsetzen?
Dr. Strek: Vom Ackerfuchsschwanz wissen wir: Rund 80 Prozent der „aktiven“ Samen im Boden keimen im Herbst. Da wäre es fahrlässig, erst im Frühjahr aktiv zu werden. Optimal für eine effektive Herbstbehandlung ist eine späte Aussaat, wenn es auf dem Schlag möglich ist. Indem man den Boden zuvor mit einem Striegel, einer Scheibenegge oder einem Grubber bearbeitet, bringt man möglichst viele Unkrautsamen zum Keimen und kann sie noch vor der Aussaat mit einer Glyphosatbehandlung oder einer mechanischen Bodenbearbeitung erfassen. Nach der Aussaat folgt dann am besten noch eine Vor- oder Nachauflaufbehandlung.
Welche Rolle spielt hier die geeignete Fruchtfolge im Kampf gegen Resistenzen?
Dr. Strek: Die geeignete Fruchtfolge spielt eine sehr wichtige Rolle. Man wechselt zum Beispiel regelmäßig zwischen Wintergetreide und Winterraps oder schaltet auch mal eine Hackfrucht dazwischen. Das ermöglicht dann auch, von Jahr zu Jahr zwischen Herbiziden zu wechseln. Auch das ist ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Resistenzbildung.
Herbizidresistenter Ackerfuchsschwanz - Ein Ungras, das im Ackerbau genaustens beobachtet werden muss
Dr. Strek: Zum Teil ja. Aber man darf nicht am falschen Ende sparen. Das Ziel sollte immer sein, möglichst alle Unkräuter zu beseitigen. Mit jeder Pflanze, die überlebt, steigt, wie schon erklärt, auch das Risiko, dass eine Resistenz entsteht. Übrigens kann ein kleiner Unterschied bei der Unkrautkontrolle einen großen langfristigen Effekt auf eine Unkrautpopulation haben. Wir haben da zum Beispiel ein Szenario modelliert, bei dem eine nötig ist, um eine Ackerfuchsschwanzpopulation in Schach zu halten. Senken wir dagegen die Kontrolle um lediglich zwei Prozentpunkte, verdoppelt sich der Bestand nach wenigen Jahren. Jedes Prozent mehr Kontrolle zählt also! Denn nur ein paar Prozentpunkte mehr an Kontrolle führen im genannten Beispiel bereits dazu, dass das Feld innerhalb weniger Jahre frei von Ackerfuchsschwanz ist.
Und auch hier spielt dann der integrierte Ansatz wieder eine Rolle?
Dr. Strek: Für eine möglichst umfassende Kontrolle ist der integrierte Ansatz wichtig, wie ein weiteres Rechenszenario zeigt. Hier haben wir den Beitrag der nicht chemischen Maßnahmen mit sieben Prozentpunkten veranschlagt. Ergebnis: Wir haben mittelfristig einen deutlich erkennbaren Effekt auf die Ackerfuchsschwanzpopulation – je nachdem, ob der Landwirt diese Maßnahmen praktiziert oder nicht.
Können die Getreidebauern eigentlich auf neue schlagkräftige Herbizide hoffen?
Dr. Strek: Wir forschen intensiv daran. Aber ein neues Herbizid muss ja zahlreiche Anforderungen erfüllen. Eine gute Wirksamkeit gegen Gräser und Unkräuter ist nur eine davon. Darüber hinaus darf so eine Substanz natürlich nicht schädlich für den Menschen oder die Umwelt sein. Aktuell gibt es noch keinen neuen Kandidaten, der alles erfüllt und weit genug fortgeschritten ist, um sich für eine weitere Entwicklung zu eignen. Das heißt zugleich: Wir müssen parallel zur Forschung dafür sorgen, die Wirksamkeit unserer bestehenden Wirkstoffe so lange wie möglich zu erhalten. Wir sollten diese Substanzen wie Schätze behandeln. Daher gilt ja gerade: Wir müssen alles tun, um die Bildung von Resistenzen gegen die aktuell verfügbaren Wirkstoffe zu verhindern. Alles!