Agrar Magazin / ForwardFarming

ForwardFarming

Nachhaltigkeit aus Eigenmotivation

Wie viel Pflanzenschutzmittel muss eingesetzt werden, um Ernteerträge ausreichend zu sichern und eine unabhängige Lebensmittelversorgung zu garantieren?

Diese Frage beschäftigt derzeit viele europäische Landwirte, auch in Deutschland. Einer von ihnen ist Bernd Olligs, Landwirt in sechster Generation. Mit seiner Familie betreibt er den Damianshof in Rommerskirchen in der Nähe von Köln, der Teil des Bayer-Forward-Farming-Netzwerks ist.

Bereits im Herbst 2021 war in Deutschland die fünfte Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendung in Kraft getreten – mit teils erheblichen Auswirkungen auf die hiesige Landwirtschaft. Im vergangenen Sommer wurde von der Europäischen Kommission darüber hinaus ein weiterer Entwurf mit dem Namen „Sustainable Use Regulation" (SUR) vorgestellt. Dieser soll im Rahmen der Landwirtschaftsstrategie der EU neue Mengenvorgaben für Pflanzenschutz festlegen.

Der Entwurf der EU umfasst rund 80 Seiten, die es für Landwirte in sich haben: Sie sehen ein umfassendes Verbot der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in sogenannten „sensiblen Gebieten“ vor. Würden Landschaftsschutzgebiete final unter die Definition fallen, wäre etwa ein Drittel der deutschen Landesfläche betroffen – Fläche, die oft auch landwirtschaftlich genutzt wird. Für einige Mitgliedsstaaten sieht der Entwurf dabei eine pauschale Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln von bis zu 50 Prozent bis 2030 vor.

Dieses Vorhaben hat zu hitzigen Debatten zwischen Politik, Umweltschutzgruppen, der Agrarindustrie und Bauernverbänden geführt. Auch, weil man im Prinzip im gleichen Boot sitzt: Auf der einen Seite müssen dringend Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel und für den Schutz der Artenvielfalt unternommen werden, auf der anderen Seite müssen ausreichend Nahrungsmittel, Futter, Baustoffe etc. produziert sowie Erträge und damit auch Preise von Lebensmitteln stabilisiert werden. Wie also mit diesen Zielkonflikten umgehen?

Im Interview mit Forward Farming, der Bayer-Themenreihe rund um moderne und nachhaltige Landwirtschaft, ordnet Landwirt Bernd Olligs die aktuelle Debatte aus Praxissicht ein.

„Die Zeit, um mit allen Beteiligten über konstruktive Lösungen zu reden, ist jetzt. Nur so können wir erfolgreich in die Zukunft gehen. Einen einfachen Weg wird es jedoch nicht geben.“
Bernd Olligs, Landwirt

SUR

Die „Sustainable Use Regulation“ der EU soll den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft regeln, um Mensch und Umwelt zu schützen. Die Regulierung soll festlegen, dass Pflanzenschutzmittel nur eingesetzt werden dürfen, wenn es keine effektive Alternative gibt – und selbst dann nur so gering wie möglich. Aktuell wird angestrebt, die eingesetzten Mengen und damit das potenzielle Gesundheitsrisiko für Mensch und Umwelt bis 2030 in manchen Ländern um bis zu 50 Prozent zu reduzieren.

ForwardFarming

Im Rahmen des ForwardFarming-Netzwerks arbeitet Bayer mit unabhängigen Landwirten zusammen. In Deutschland gibt es derzeit vier Partnerschaften, die lokale Lösungen, moderne Werkzeuge und Praktiken nutzen, um erfolgreich und nachhaltig bezahlbare Nahrungsmittel, Futter und Energie anzubauen.

Die Partner-Betriebe befinden sich in Rommerskirchen (Nordrhein-Westfalen), Aich (Bayern), Nauen (Brandenburg) und Einbeck (Niedersachsen).

Herr Olligs, was bedeutet Pflanzenschutz auf dem Acker? Und warum ist er für Landwirte so wichtig?

Pflanzenschutz umfasst alle Maßnahmen, die dazu dienen, Pflanzen vor Schädlingen, Krankheiten und Umweltstress zu schützen. Das kann durch den Einsatz von chemisch-synthetischen, also künstlich hergestellten Pflanzenschutzmitteln, aber auch durch andere Methoden wie mechanische oder biologische Verfahren geschehen. Pflanzenschutz ist für uns Landwirte unerlässlich, um Ertragsverluste zu vermeiden und eine gute Qualität unserer Produkte zu gewährleisten.

Was ist der Unterschied zwischen biologischen und chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln?

Beide Formen des Pflanzenschutzes sind wichtig für uns, da sie dabei helfen, Pflanzen und damit Ernten zu schützen und einen ausreichenden Ertrag zu erzielen.

Biologischer Pflanzenschutz umfasst den Einsatz von natürlichen Feinden der Schädlinge, wie Nützlinge, Raubinsekten oder biologische Wirkstoffe, die diese auf natürliche Weise bekämpfen. Auch die Verwendung von Pflanzen, die Schädlinge fernhalten, oder die Anwendung von organischen Düngemitteln können als biologische Methoden zur Schädlingsbekämpfung dienen.

Chemisch-synthetischer Pflanzenschutz hingegen umfasst den Einsatz von künstlich hergestellten Pflanzenschutzmitteln, um Schädlinge, Krankheiten oder Unkräuter zu bekämpfen. Diese Substanzen können schnell und effektiv sein, dafür braucht es aber einen geschulten Anwender.

In letzter Zeit gibt es in der Politik Stimmen, die ein pauschales Verbot von Pflanzenschutz auf dem Acker fordern. Was denken Sie darüber?

Es gibt keine einfache Lösung für eine nachhaltige und verantwortungsvolle Landwirtschaft. Je nach geografischer Lage, Umweltbedingungen und Marktanforderungen können ganz unterschiedliche Anbaumethoden angemessen sein. Jeder Einzelfall erfordert einen individuellen Ansatz, der laufend optimiert werden muss. Und so akribisch arbeiten viele Landwirte Jahr für Jahr. Ein pauschales Verbot von Pflanzenschutzmitteln auf dem Acker wäre daher ein herber Rückschlag für jeden innovativen Landwirt. Zum Beispiel in Regionen mit sehr begrenztem Anbaupotential oder unter extremen klimatischen Bedingungen sind konventionelle Anbaumethoden zumeist effektiver und nachhaltiger. Denn Biolandbau unter nicht optimalen Bedingungen erfordert mehr Anbaufläche und ist deutlich arbeitsintensiver.

Was wäre Ihrer Meinung nach die Auswirkung eines solchen Verbots auf die Landwirtschaft?

Im Endeffekt würden viele Landwirte massive Ertragseinbußen und Qualitätsverluste ihrer Ernten hinnehmen müssen – das gefährdet die Existenz von Betrieben. Und es führt am Ende der Wertschöpfungskette wiederum zu weiter steigenden Preisen für Lebensmittel.

Könnten Sie uns einige Beispiele dafür geben, wie Pflanzenschutzmittel Ihnen als Landwirt bei der Produktion geholfen haben?

Natürlich. Ein Beispiel ist der Einsatz von Fungiziden, um Pilzkrankheiten in Weizen und Gerste, sowie Krautfäule in Kartoffeln und die Cercospora-Blattfleckenkrankheit in der Zuckerrübe, zu bekämpfen. Das ist gerade bei uns so dringlich, da wir in einer Region wirtschaften, in der es glücklicherweise viel regnet, aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit aber auch der Pilzbefall gefördert wird. Ohne diese Mittel könnten wir einen erheblichen Teil unserer Ernte verlieren. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch Fortschritte in der Züchtung, um Sorten zu entwickeln, die besser an die sich verändernden Anbaubedingungen angepasst sind und eine höhere Widerstandskraft gegen Pathogene, wie Viren haben.

Bei Kartoffeln ist außerdem der Einsatz von Insektiziden unverzichtbar, um die Kartoffelkäfer und Läuse zu bekämpfen, die sonst unsere Ernte vernichten würden. Aber der entscheidende Punkt ist letztlich wieviel man einsetzt. Hieran optimieren wir laufend. Das ist Teil unseres Jobs.

Welche Alternativen gibt es zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, um den Ertrag zu steigern und Pflanzen vor Schädlingen und Krankheiten zu schützen?

Es gibt eine Vielzahl von Alternativen zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, um den Ertrag zu steigern und Pflanzen vor Schädlingen und Krankheiten zu schützen. Allerdings sind diese Alternativen oft nicht so effektiv wie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Ich probiere hier seit Jahren viel aus – zum Beispiel bei Zuckerrüben.

Ein Beispiel ist der Einsatz von Nützlingen zur biologischen Schädlingsbekämpfung, der in einigen Fällen gute Ergebnisse erzielen kann. Eine weitere Alternative ist die Verwendung von Pflanzenstärkungsmitteln, die das Wachstum der Pflanzen fördern und sie widerstandsfähiger gegen Krankheiten und Schädlinge machen sollen. Auch eine Optimierung der Fruchtfolgen, in denen verschiedene Arten von Nutzpflanzen und Zwischenfrüchte im Wechsel angebaut werden, kann dazu beitragen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.

Es gibt keine universelle Lösung, die in allen Situationen anwendbar ist.

Jeder Einzelfall erfordert eine individuelle Betrachtung und Anpassung der Methoden an die jeweiligen Gegebenheiten. Wir optimieren laufend, in jeder Saison aufs Neue.

Zum Abschluss: Sind Sie der Meinung, dass die Politik unrealistische Erwartungen an die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln hat und die vorgesehenen Maßnahmen möglicherweise nicht den gewünschten Erfolg bringen werden?

Die Verbraucher erwarten auch von uns eine zunehmend umweltschonende Nahrungsmittelproduktion, was sicherlich richtig und wichtig ist. Allerdings müssen wir auch realistisch bleiben und uns bewusst sein, dass eine pauschale Reduktion nicht in jedem Fall sinnvoll oder möglich ist.

In der landwirtschaftlichen Praxis wird bereits auf unterschiedliche Weisen ökologisch und nachhaltig gewirtschaftet– teilweise effizienter und sinnvoller, als es der Gesetzgeber vorsieht. Man darf nicht vergessen, dass der eigene Hof die Existenzgrundlage eines jeden Landwirts ist. Da ist genug Eigenmotivation vorhanden, nachhaltige Bewirtschaftungsmaßnahmen zu entwickeln. Diese Möglichkeiten existieren auch abseits pauschaler Reduktionsvorgaben oder Verbote bereits.

Als Landwirt sehe ich durchaus, dass die Politik unrealistische Erwartungen an eine pauschale Reduktion von Pflanzenschutzmitteln hat.

Es gibt Kulturen, die ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nicht auskommen und die Ernteerträge in einem Maße mindern würden, dass sich der Anbau wirtschaftlich für uns nicht mehr lohnt. Deshalb müssen wir individuelle Lösungen finden und das Bewusstsein schärfen, dass nicht alles, was auf den ersten Blick nachhaltig erscheint, auch tatsächlich nachhaltig ist.

Um hier voranzukommen, müssen konstruktive Dialoge auf Augenhöhe geführt werden. Wie das funktionieren kann, zeigen uns die hier in NRW seit 1989 bestehenden Wasserschutzkooperationen zwischen Landwirtschaft und Wasserwirtschaft, aufgrund derer zunächst Pflanzenschutzmittelrückstände und anschließend der Nitratgehalt im Trinkwasser reduziert werden konnten. Auf diese Weise werden sowohl die Trinkwasserversorgung als auch die Existenzfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe in der Region gesichert – eine Erfolgsgeschichte mit Gewinnern auf beiden Seiten.

Jetzt registrieren

Premeo

Unser Prämienprogramm, Ihr Vorteil.
Mit unserem Premeo-Treueprogramm beim Kauf von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut Punkte sammeln und viele attraktive Prämien sichern.

Services

Zugriff zu personalisierter Beratung, Premium Wetter und dem Herbizid Fruchtfolgeberater

Mehr erfahren