Agrar Magazin / AgrarGespräch

AgrarGespräch Wirkstoffzulassungen
AgrarGespräch

Raps, Rübe & Co. angezählt – was können wir Wirkstoffverlusten entgegensetzen? - So lief das 2. AgrarGespräch

Das Thema Wirkstoffverluste im Pflanzenschutz stand im Mittelpunkt der zweiten Runde des Livestream „Agrargespräch“, zu der die Agrarzeitung und Bayer am Mittwoch dieser Woche eingeladen hatten. Die Gäste suchten Antworten auf die Frage, was den Wirkstoffverlusten im Ackerbau entgegengesetzt werden kann.
AgrarGespräch Das neue Live Formatt

Zunächst warf Friedel Cramer, Präsident des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) einen Blick in die Statistik. Nicht alle Kulturen und Anwendungen seien gleichermaßen betroffen, Raps und Rüben aber ganz sicher. Manja Landschreiber, Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, ergänzte, dass man „situativ schauen müsse“. Die geringe Anzahl der Wirkstoffgruppen führten zu Resistenzproblemen. Als Beispiel nannte sie den einseitigen Einsatz von Pyrethroiden im Raps. „Von 40 Insektiziden stammen allein im Raps 34 Produkte aus dieser Wirkstoffgruppe“.

Dr. Marco Harms, Bayer, bestätige die Aussagen der Beraterin und ergänzte: „Die Nachlieferung neuer Wirkstoffe ist schwierig. Das gilt nicht nur für den Raps“. Engpässe sehe man beispielsweise bei Zuckerrüben oder bei der Virusvektorenbekämpfung in Kartoffeln. „Die Eckpfeiler des Pflanzenschutzes brechen auf EU-Ebene weg“, so sein Fazit.

Mit Blick auf die Bienen lenkte die Moderatorin, Dr. Angela Werner, Agrarzeitung, den Blick auf die Neonikotinoide und damit auf den Wegfall der Beizen für den Raps. Ob dieses Verbot den Bienen tatsächlich gutgetan habe, wollte sie von Torsten Ellmann, Präsident des Deutschen Imkerbundes, wissen. Einen direkten kausalen Zusammenhang zu geringeren Winterverlusten wollte der jedoch nicht herstellen. „Die Imker akzeptieren grundsätzlich die Entscheidungen der EFSA“, meinte er. Die europäische Zulassungsbehörde habe bei diesem Wirkstoff Risikopotenzial erkannt. Ellmann fragte aber direkt weiter, ob ein Verbot allein ausreiche. Es sei im Interesse der Imker, wenn die Vorzüglichkeit der Kultur Raps erhalten bleibe bzw. wiederhergestellt werde.

Raps in der Fruchtfolge unverzichtbar

Stephan Arens, Geschäftsführer der Union zur Förderung von Oel- Proteinpflanzen (UFOP) sieht bei einem möglichen Rückgang der Rapsanbauflächen auch negative Auswirkungen für die Imkerei, weil der Raps ein bedeutendes Nahrungsangebot für die Bienen darstelle. Jedoch sei der Rückgang der Flächen nicht allein auf die Pflanzenschutzsituation zurückzuführen. Arens sieht den Rapsanbau zudem nicht grundsätzlich in Gefahr. „Die Betriebe brauchen den Raps in der Fruchtfolge. Ich gehe davon aus, dass wir den Raps in Deutschland langfristig wieder auf ein Niveau von 1,2 Millionen Hektar führen können.“

Ändern könnte und müsste sich jedoch die Stellung der Kultur in der Fruchtfolge, die von allen Teilnehmern neben der Züchtung resistenter Sorten als eines der wichtigsten Werkzeuge für einen nachhaltigen Pflanzenschutz bzw. -bau betrachtet wird. Manja Landschreiber beleuchtete das Pro und manchmal auch Contra der Ackerbohne als Beispiel. Die passe trotz ihrer Vorzüglichkeit längst nicht auf jeden Standort. Sommerungen wie Hafer oder Mais (wegen Ackerfuchsschwanz-Kontrolle) seien Möglichkeiten. Aber auch dann müssten die Mittelauswahl und Wirkstoffwechsel mitgedacht werden.

Der Bienenexperte Ellmann zeigte Verständnis, dass die Gestaltung einer Fruchtfolge ökonomischen Gesichtspunkten folge. „Der Ackerbau muss sich für den Landwirt lohnen“, meinte er. Den Rückgang des Rapsanteils durch weiter gestellte Fruchtfolgen sei für die Imker momentan kein Problem. „Noch verhungern die Bienen nicht“. Auch die Imker müssten natürlich schauen, welche Alternativen geeignet seien. Denn auch die Imkerei unterliege den Gesetzmäßigkeiten der Nachfrage durch den Handel nach bestimmten Honigsorten und damit ökonomischen Aspekten.
Für Arens ist es von Bedeutung, die Rolle des Raps grundsätzlich zu diskutieren und nicht nur den Pflanzenschutzaspekt. Er kann sich vorstellen, dass der Anteil der Fläche in Intensivanbaugebieten zurückgehen, an andere Stelle jedoch zunehmen könnte. Die geringere Intensität in der Fläche könne auch dazu führen, dass sich der Schädlingsdruck insgesamt verringere, ergänzte Ellmann. „Es reicht eben nicht, immer nur nach Pflanzenschutzmitteln zu rufen.“

"Überlegen, was möglich ist."

Das beurteilte Harms als sinnvollen Aspekt, schränkte aber ein, das natürlich auch alternative Kulturen von Schädlingen bedroht seien. Deshalb blieben Wirkstoffverluste weiter relevant. Landschreiber bestätigte diese Sicht der Dinge mit Erfahrungen aus der Praxis. „Vor allem bei Ackerbohnen bereiten uns Nanoviren große Probleme.“ Zudem dürfe man den psychologischen Aspekt nicht vernachlässigen. Seit dem Neonikotinoidverbot müssten die Landwirte den Raps häufiger spritzen als zuvor und dennoch gingen die Erträge zurück. „Dazu haben viele Landwirte einfach keinen Bock mehr“, meinte sie unverblümt. Lieber verzichte man dann gänzlich auf die Kultur.

„Vielleicht hat man sich in der Vergangenheit aber auch zu sehr auf die Neonikotinoide konzentriert“, meinte Ellmann. Man solle doch nicht immer nur darüber nachdenken, was nicht gehe, sondern lieber überlegen, was möglich sei. Dazu zählten auch Überlegungen über den Zusatznutzen von Raps, etwa als heimisches Futtermittel. Dann könne auch der Raps wieder interessanter werden.
Cramer erinnerte daran, dass dies schon einmal gelungen sei. Durch Züchtung etwa habe sich der Raps zu einem wertvollen Lebensmittel entwickeln können. Zudem sei der Ackerbau heute ein hochprofessionelles Geschäft. „Mal eben Kartoffeln anbauen“, also ein Wechsel einzelner Kulturen sei nicht so einfach zu bewerkstelligen. „Brachflächen aber wollen wir nicht und können wir uns mit Blick auf die Lebensmittelsicherung auch nicht leisten.“
2. AgrarGespräch: Raps, Rübe und Co. angezählt?

Strategische Ansätze im Ackerbau bzw. der integrierte Pflanzenbau werden wichtiger – dieser Aussage konnten alle Diskussionsteilnehmer zustimmen. Mit etwas Sorge blickt Arens dabei auf die restriktive Handhabung moderner Züchtungstechnologien, hier „käme man käme nicht so richtig voran.“ „Wir brauchen Züchtungsfortschritt, wenn wir weniger Pflanzenschutzmittel wollen“, ergänzte Cramer. Die Beraterin kritisierte, dass Prognosemodelle noch zu wenig von der Praxis genutzt würden. Arens ergänzte den Aspekt `überbetrieblicher Kooperationen`. Dort, wo sich ein hoher Schädlingsdruck aufgebaut habe, könne es sinnvoll sein, den Raps für eine ganze Region zeitweise aus dem Anbau zu nehmen und die Populationsentwicklung in den Blick zu nehmen. Erste positiven Erfahrungen seien mit diesem Ansatz bereits gemacht worden.

Harms brachte noch das Thema `Zulassungssituation in Deutschland` in die Runde ein. Nationale Sonderauflagen seien verantwortlich für Wirkstoffverluste und Verzögerungen im Zulassungsprozess. Das wirke als Innovationsbremse. Als Beispiele nannte er das Herbizidsystem Conviso für den Zuckerrübenanbau und das Insektizid Movento für den Einsatz in Sonderkulturen, die in den wichtigen europäischen Agrarländern, nicht aber in Deutschland, zugelassen seien. Grundsätzlich sieht er das Problem der Wirkstoffverluste nicht nur bei Insektiziden, sondern zunehmend auch bei Herbiziden, dies insbesondere durch die Sonderwege des Umweltbundesamtes bei Gewässerschutzauflagen.

Cramer hielt dagegen, dass die Harmonisierung bei den Zulassungen nicht auf der Strecke bliebe. Als Beispiel nannte er die Biodiversitätsauflagen, deren einseitige Durchsetzung hierzulande nicht möglich gewesen sei. „Wir bewegen uns in einem EU-einheitlichen Rechtsrahmen.“ Unterschiedliche Auslegungen seien jedoch möglich, schränkte er ein.
„Welches ist für Sie die wichtigste Stellschraube beim Pflanzenschutz der Zukunft?“ fragte die Moderatorin am Ende der Sendung. „Wir sollten Pflanzenschutzmittel so einsetzen, dass vermarktungsfähige Produkte entstehen können. Im Dialog müssen wir gemeinsame Lösungen finden“, antwortete Torsten Ellmann. „In erweiterten Fruchtfolgen, speziell mit Leguminosen, sehe ich großes Potenzial. Die Märkte dafür gibt es inzwischen“, meinte Stephan Arens. Für Manja Landschreiber ist wichtig: „Wir sollten alle Werkzeuge aus dem Pflanzenschutz-Baukasten nutzen, damit die Betriebe zukunftssicher werden.“ „Wir müssen nicht nur die Risiken, sondern viel mehr auch den Nutzen von Pflanzenschutz diskutieren und brauchen wissenschaftsbasierte Verlässlichkeit bei der Zulassung“, meinte Marco Harms. Friedel Cramer wünscht sich: „Wir müssen den Zulassungsstandort Deutschland attraktiver gestalten.“
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