Agrar Magazin / AgrarGespräch

AgrarGespräch

So war das AgrarGespräch zum Thema „Produktivität und Nachhaltigkeit – Wie machen wir die Landwirtschaft fit für die Zukunft?"

Immer drängender stellt sich die Frage nach den ökologischen und ökonomischen Potenzialen für einen reduzierten Betriebsmitteleinsatz (Hintergrund Green Deal und steigende Preise), ohne gleichzeitig die globale Ernährungssicherheit zu gefährden. Auf der Grundlage zweier Studien diskutierten beim AgrarGespräch am 22. Juni Steffen Noleppa (Geschäftsführer HFFA), Frank Gemmer (IVA-Hauptgeschäftsführer), Johannes Schätzl (Mitglied des Deutschen Bundestages) und Peter R. Müller (Geschäftsführer Bayer CropScience GmbH Deutschland) dieses agrarpolitische Thema Nr. 1. Die Diskussionsrunde wurde von Olaf Deininger, Chefredakteur agrarzeitung, moderiert, der zu Beginn in kurzen Worten die Studien umriss.
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Die HFFA Research GmbH hat im Auftrag von Bayer in einer umfangreichen Studie geprüft, welche Wirkungen mit einer Pflanzenschutzmittelsteuer auf den verschiedenen Ebenen der Wertschöpfungskette erzielt werden. Darüber hinaus ist die Studie der Frage nachgegangen, ob sich mit Steuern oder Innovationen bessere Lenkungswirkungen auch im Sinne des Umweltschutzes erzielen lassen.

Peter Müller stellte klar, dass Bayer mit der Studie zu diesem immer wiederkehrenden Ansatz einen Debattenbeitrag leisten will. „Die pauschale Zielsetzung der Agrarpolitik auf europäischer, aber auch auf deutscher Ebene, ist die Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes um 50 %. Das ist fester Bestandteil des Green Deal“. Müller, der mehrere Jahre in Dänemark gearbeitet hat, konnte über eigene Erfahrungen berichten, da in Dänemark bereits seit einigen Jahren eine Pflanzenschutzmittelsteuer erhoben wird. Er gesteht der Steuer bzw. Abgabe eine gewisse Lenkungswirkung zu, die aber teuer erkauft sei. In Dänemark hat sich zudem gezeigt, dass die Gelder nicht wieder in die Landwirtschaft zurückgeflossen sind, wie dies eigentlich beabsichtigt war. „Wir müssen aufpassen, dass sich der angebliche Tiger nicht in einen Bettvorleger verwandelt“. Ihm geht es aber vor allem darum, nicht nur „rumzumäkeln“, sondern mit eigenen Vorstellungen und geeigneten Instrumenten einen proaktiven Diskussionsbeitrag zu leisten.

Johannes Schätzl sieht momentan aufgrund der aktuellen Krisen und neuen Parameter keinen akuten Handlungsbedarf für eine Besteuerung. „Das wird politisch aktuell auch nicht diskutiert,“ so der SPD-Abgeordnete. Auch er hält eine Steuer und grundsätzlich Restriktionen nicht für den besten Weg, die Landwirtschaft zukunftsfähiger zu machen. Für ihn liegen die Chancen in Innovationen, die sich auch in der Praxis umsetzen lassen. Das war das Stichwort für die Überleitung zur zweiten Studie, die der Industrieverband Agrar kürzlich herausgegeben hat. Sie bewertet Potentiale und Kosten von Verfahren zur Minderung des Pflanzenschutz- und Düngemitteleinsatzes in der Landwirtschaft. „Auslöser für die Studie war die Farm to Fork-Strategie“, erläuterte Gemmer. „Wie lassen sich die hohe Produktivität erhalten, wie die biologische Biodiversität bewahren und gleichzeitig Emissionen reduzieren?“ Diesen Fragen muss die Branche sich stellen. Die Studie ist der Frage nachgegangen, wie viel Potential in digitalen Verfahren steckt, um die Herausforderungen anzugehen.

In der Summe ist es laut Gemmer möglich, trotz Produktionsmitteleinsparungen Produktivität in der Landwirtschaft sicherzustellen, wenn Innovationen zur Anwendung kommen. Betriebswirtlich sind moderne Produktionsverfahren, wie die Digitalisierung, dann höher einzuschätzen als Fördermaßnahmen aller Art. Auch wenn smarte Technologien bereits vielfach praxisreif sind, sieht Gemmer hier noch viel Luft nach oben. „Wir stehen erst am Anfang“, sagte er und machte das Tempo der Entwicklungen am Beispiel Smartphone deutlich. Noleppa, Schätzl, Müller und Gemmer waren sich einig, dass auf vielen Feldern politischer Handlungsbedarf besteht, um innovativen Technologien den Raum zu schaffen, die sie für einen Verbreitung in der Fläche benötigen, allen voran die digitale Infrastruktur und die hundertprozentige Abdeckung mit 5 G.

Einigkeit herrschte auch darüber, dass die Belohnung von Umweltleistungen effektiver wirkt als Restriktionen. In digitalen Entwicklungen liegt der größte Hebel für eine nachhaltige Landwirtschaft. Dazu vermissen die Diskutanten entsprechende Signale aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Etwas Zukunftsmusik brachte Gemmer mit dem „digitalen Etikett“ ins Spiel: Darüber könnten alle relevanten Informationen gesammelt und weiterverarbeitet werden, die der Landwirt für seine Arbeit benötigt – zum Beispiel Auflagen für den Pflanzenschutz. Die technische Umsetzung ist dann über teilflächenspezifische Applikationstechnik möglich. „Einscannen, losfahren, Regelungen automatisch einhalten“, so sieht Gemmer die Zukunft.

Für den Staat definiert Müller in diesem Zusammenhang keine unternehmerischen Aufgaben, auch nicht auf nationaler Ebene. „Wir brauchen Standardisierungen. Die Aufgabe des Staates liegt dann drin, diese zu orchestrieren“. Und Schätzl ergänzte: „Der Staat ist gefragt bei der Etablierung von Plattformen und deren Vernetzung.“ „Hier läuft ja mit z.B. Gaia X oder Kopernikus einiges Positives“, sagte Gemmer, der aber noch eheblichen Beratungsbedarf sieht, auch bei der Beratung der Berater.

Müller warb für das Vorankommen bei den neuen Züchtungsmethoden. Hier sei ebenfalls noch viel Luft nach oben. Gesunde, ertragsreiche, resiliente Sorten können bei entsprechender Regulierung schneller Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit geben und auch einen Beitrag zum Betriebsmitteleinsatz geben. Zeitweilig werden hierzulande die Britten belächelt. Im Bereich der Agrar-Innovationen und gerade bei der Grünen Biotechnologie nehmen sie jedoch mehr und mehr eine führende Rolle in Europa ein. Hier lohnt es sich, näher hinzuschauen, betonte Müller.

In einem letzten Schwenk führte das Gespräch zum Thema Agrarforschung. Hier sahen alle Gesprächspartner noch erheblichen Nachholbedarf. „Die öffentliche Agrarforschung wurde in den 80er Jahren extrem heruntergefahren“, erinnerte sich Noleppa. „Dabei lohnt sich nichts mehr für Volkswirtschaften als Investitionen in die Forschung“. Das sah auch Müller so. „Wir brauchen die unabhängige Grundlagenforschung – sie ist über jeden Verdacht erhaben – sie kann aber darüber hinaus Brücken bauen in unternehmerische Aktivitäten. Auch hier macht England das gerade vor. Dort hat die Agrarforschung einen ganz anderen Stellenwert als bei uns.“ Auch mit Blick auf den politischen Vertreter in der Runde warb Müller für eine offenere Debatte in Deutschland.

Video Agrar Gespräch

AgrarGespräch: Restriktionen oder Innovationen? Wie machen wir die Landwirtschaft fit für die Zukunft?

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