Was kann die Digitalisierung leisten, wo stößt sie noch an ihre Grenzen und wo ist sie bereits echter Problemlöser? Diese und andere Fragen beantworteten die Experten beim 5. AgrarGespräch, mit dem Bayer gemeinsam mit der Agrarzeitung am 23. September auf Sendung gegangen ist.
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Agrar Magazin / AgrarGespräch
5. AgrarGespräch: Digitalisierung in der Landwirtschaft
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1:01:07
In Ihrer Einführung fragte die Moderatorin der Sendung, Daphne Huber, Redakteurin bei der Agrarzeitung, die Teilnehmer/innen der Gesprächsrunde nach der Bedeutung der Digitalisierung für die Landwirtschaft. Eine aktuelle Bitkom-Umfrage habe gezeigt, dass acht von zehn Landwirten bereits digitale Werkzeuge nutzen würden. Andreas Schweikert, Bereichsleiter Landwirtschaft bei Bitkom, bestätigte, dass die Landwirtschaft bereits digitaler sei als viele außerhalb der Branche denken. Er machte gleichzeitig deutlich, dass praktische Anwendungen, wie z.B. teilautonomes Fahren, aber nur einen kleinen Bereich der Möglichkeiten abbildeten. Wichtiger sei es, die digitale Infrastruktur weiter zu optimieren. Dazu zählten Teilbereiche wie etwa die Datengeschwindigkeit, aber auch die Frage der Datensicherheit.
Dr. Wolfgang Angermair, Geschäftsführer der Vista GmbH und Berater im Management bei FarmFacts, ergänzte, dass die digitalen Technologien ein Werkzeugkasten seien, den nicht nur die landwirtschaftlichen Betriebe, sondern auch die vor- und nachgelagerten Bereiche nutzen. „Digitalisierung ist keine Antwort auf eine spezielle Frage, sondern bezeichnet eine ganze Ära.“ Die habe mit dem ersten Rechner begonnen, der eben nur rechnen konnte, und ihr Ende sei noch lange nicht erreicht. Jörg Schrieber, Landwirt aus Lehre in Niedersachsen, ergänzte die Definition von Digitalisierung. Gestartet als Werkzeug für die betriebliche Ökonomie, nutze er digitale Anwendungen zunehmend für die Bewältigung ökologischer Aufgaben. Möglich mache dies die moderne Sensoren- und Drohnentechnik. Seine Forderung an die Software-Entwickler und Hersteller: „Momentan ist noch sehr viel Vorarbeit nötig, die den ein oder anderen Praktiker vielleicht abschreckt. Die digitale Technik muss einfacher werden.“
Die reine Erfassung agronomischer Daten ist aus Sicht von Angermair nicht die große Herausforderung. Weitgehend ungelöst sei dagegen die Frage, wie sich die gewonnenen Daten in die Regulatorik umsetzen ließen, damit Fachbehörden diese anerkennen könnten. „Die Bürokratie ist oftmals schneller als die Software“, so Angermair. Dies sieht auch Katharina Au, Bayer, ähnlich. Die politische Hintergrundstruktur sei sehr komplex. Hier biete die Digitalisierung einerseits große Chancen, andererseits sei sie aber nicht immer so schnell, wie es eigentlich wünschenswert wäre. Schrieber bestätigte das Informationsdefizit auf der administrativen Ebene und wünscht sich mehr Hilfestellung seitens der Spezialberatung, etwa in Wasserschutzgebieten.
Schrieber sieht einen weiteren großen Vorteil für digitale Lösungen, da sich damit darstellen ließe, ob ein Betrieb nachhaltig wirtschafte oder nicht, und das individuell auf jeden Standort bezogen. Um hier weitere zu kommen, bedürfe es vorrangig aber nicht neuer technischer Lösungen als vielmehr geeigneter digitalisierter Bewertungskriterien. Anhand derer ließen sich dann Aussagen treffen wie: „Ja, das machen wir richtig und gut“. Mit Blick auf den Green Deal, der die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes um 50% vorsieht, schränkte Katharina Au ein, dass dies nicht allein mit Präzision zu erreichen sei. „Digitalisierung ist nicht der Heilsbringer für die Reduktion. Das Thema ist komplexer.“ Die standortangepasste Bewirtschaftung sei hier das wichtigste Kriterium.
Kompatibilität ist eine Grundvoraussetzung für flächendeckende digitale Anwendungen. Auch für Bitkom ist das ein „Riesenthema“, meinte Schweikert. Die Hersteller würden daran auch auf europäischer Ebene arbeiten. Katharina Au forderte, dass die Industrie diesbezüglich über „den Tellerrand hinausschauen“ müsse, sie sieht die Branche ebenso wie Angermair aber auf einem guten Weg. Laut Schweikert verändert sich die Industrie auf diesem Gebiet und wandele sich zunehmend vom reinen Produkt- zum Dienstleistungsanbieter. „Das geht nicht“ ist für Schrieber keine Ausrede mehr für Praktiker. „Isobus funktioniert inzwischen bei 95% aller Anwendungen“.
Datensicherheit und Datenhoheit sind zentrale Themen, um die erforderliche Transparenz für die Digitalisierung zu schaffen. Der Schutz für personenbezogene Daten ist laut Angermair durch die europäische Gesetzgebung zufriedenstellend geregelt. Alle Diskussionsteilnehmer waren der Meinung, dass auch die Datenhoheit stets beim Landwirt bleiben müsse., unabhängig davon, ob die Daten auf der Betriebshardware oder auf einem Cloudserver abgelegt seien. Daten stellten ein für den Betrieb wertvolles Gut dar. Andererseits könnten digitale Lösungen aber nur weiterentwickelt werden auf der Basis bereits gewonnener Daten. Die bereits zu Beginn zitierte Bitkom-Umfrage habe jedoch gezeigt, dass Landwirte bereit seien, diese Daten zur Verfügung zu stellen, wenn daraus ein betrieblicher Mehrwert erwachse.
Für Katharina Au ist die Datenhoheit keine entweder-oder-Frage, sondern eine Frage der Transparenz und ebenfalls des Mehrwerts. Praktiker Schrieber beschrieb vergleichbare Modelle aus dem LKW-Bereich, wo man von Win-Win-Situationen spreche. Vergleichbar könne etwa ein Portal arbeiten, in dem Landwirte ihre Daten zum Pflanzenschutz unternehmensneutral eingeben. Die Software könne dann ermitteln, ob man gesetzeskonform mit der geplanten Maßnahme arbeite. Das wäre ein echter Mehrwert.
Aus dem Zuschauerbereich kam die Frage, ob die Digitalisierung auch für kleinere Betriebe interessant sein könne. Angermair sieht hier durchaus Potenzial im überbetrieblichen Einsatz durch Lohnunternehmer oder Maschinenringe. Katharina Au sieht für kleinere Betriebe auch Erleichterungen für die Dokumentation. Eine Einpreisung digitaler Kosten in die Produkte hält sie zwar im Einzelfall für möglich, aber für nicht sehr wahrscheinlich. Auf das Einsparpotenzial angesprochen, hob Schrieber eher die Möglichkeit der Ertragssicherung bzw. -steigerung durch präzisere Anwendungen hervor. Beim Pflanzenschutz könne er sich Einsparungen vorstellen durch eine bedarfsgerechtere Umschichtung der Mittel auf der Fläche.
Abschließend stellte Schweikert fest, dass beim Mobilfunk- und Glasfaserausbau noch viele Wünsche offen seien. Er wünscht sich zum Beispiel schnellere Anerkennungsverfahren für Mobilfunkmasten. Mit Blick auf 5G meinte er, dass sehr viele Anwendungen darauf noch nicht angewiesen seien. Sehr viele Landwirte wären hingegen froh, wenn sie wenigstens Zugriff auf 4G- oder 3G- Netze hätten.
Das nächste AgrarGespräch findet am 9. Oktober 2020, 8.00 Uhr, statt mit dem Thema „Persönlich, digital, ganzheitlich – Wie sieht Beratung in der Zukunft aus?“