Warum lässt sich der Ackerfuchsschwanz so schwer bekämpfen?
Was kann man tun, wenn er sich als resistent gegen Herbizide erweist? Wird das Problem im Ackerbau unterschätzt?
Dirk Kerlen, der das technische Marketing und die Beratung für Getreideherbizide bei Bayer verantwortet, gibt im folgeneden Interview Antworten auf diese Fragen! (Lesezeit: ca. 03:30 Min.)
Dass Ungräser gegenüber Pflanzenschutzmitteln resistent werden, nimmt offensichtlich zu – aber scheinbar nicht überall. Ist das Ausmaß der Resistenzen von Regionen abhängig?
Ja und nein. In Deutschland stellen wir tatsächlich eine unterschiedliche Resistenzverteilung fest. Was wir sagen können: Wenn wir eine sehr hohe Ungraspopulation haben, treten auch sehr häufig Resistenzen auf. Und wenn ich eine Region nennen sollte, dann wäre das etwa die Marsch, wo das Problem verstärkt auftritt.
Bei welchen Ungräsern?
Insbesondere bei den Ungräsern Ackerfuchsschwanz und Windhalm.
Was ist die Ursache?
So leicht lässt sich das nicht sagen. Hier müsste genau untersucht werden: Welche Pflanzenschutzmittel wurden in diesen Regionen oft eingesetzt?
Wie entsteht eine Feldresistenz?
Dieses kurze Video erklärt den Vorgang.
01:19
Heißt das, die Landwirte tragen die Schuld an Resistenzen?
Zunächst mal gilt: Resistenzen sind ein natürlich vorkommendes Phänomen, das in verschiedenen Bereichen auftritt. Aber richtig ist auch, dass Landwirte das Auftreten unterstützen, wenn sie stets mit dem gleichen Wirkstoffmechanismus, dem gleichen Produkt oder mit der gleichen Produktgruppe arbeiten. Und wenn sie dann auch noch jedes Jahr die gleiche Kultur anbauen, wird die Resistenzselektion zusätzlich gefördert. Allgemein gilt natürlich: Wenn viel Ungras vorhanden ist, kann auch die Resistenz in höherem Maße auftreten
Warum nehmen Landwirte immer denselben Wirkstoff?
Da gibt es ganz unterschiedliche Gründe. Man darf nicht vergessen: Ein Landwirt muss auch wirtschaftlich denken …
… und deshalb kauft er immer das günstigste Produkt?
Nicht immer. Aber das kann eine Rolle spielen. Erfahrung ist auch ein wichtiger Aspekt. Wenn man glaubt, eine sichere Anwendung gefunden zu haben, kann es sein, dass man gern dabei bleibt. So nach dem Motto: Das hat immer gewirkt, das wird dieses Jahr auch wirken.
Aber von heute auf morgen geht die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln doch nicht vollständig verloren.
Richtig. Und auch das ist Teil des Problems. Denn wenn der Landwirt Resistenzen festgestellt hat, ist es meistens schon zu spät. Dann ist der Punkt, an dem man gegensteuern kann, oft schon überschritten. Sie sehen einer Pflanze ja nicht an, ob sie resistent ist oder nicht. Der Landwirt stellt nur fest, dass er mit einem Produkt auf dem Feld etwas weniger Wirkung hat als bisher. Und er fragt sich natürlich: Will ich das noch akzeptieren oder nicht?
Ackerfuchsschwanz entwickelt sich immer öfter herbizidresistent
Kann man es denn noch akzeptieren, wenn der Ackerfuchsschwanz aus dem Weizen ragt?
Wenn es so einfach wäre. Wenn der Ackerfuchsschwanz metabolische Resistenz aufweist, kann er durchaus kleiner bleiben als der Weizen. Er wird gestaucht. Er fällt auch aus, bevor der Weizen geerntet wird. Und dann ist er im Feld …
… und nicht mehr in den Griff zu kriegen?
Genau vor dieser Frage steht auch der Landwirt. Denn die Nicht-Wirkung eines Herbizids hängt ja längst nicht immer mit Resistenzen zusammen.
Sondern?
Das kann am falschen Zeitpunkt der Applikation liegen, an der falschen Aufwandmenge oder an schwierigen Witterungsbedingungen, die dafür sorgten, dass das Produkt seine Wirkung nicht entfalten konnte. Das muss der Landwirt genau abwägen. Darum sagen wir auch immer in unseren Winterveranstaltungen zum Thema Resistenzmanagement: Herbizidresistenz gibt es immer nur auf dem einzelnen Acker – nicht in der Fläche. Deshalb ist auch jeder Landwirt eigenverantwortlich für sein Ergebnis.
Was raten Sie ihm denn?
Zunächst einmal: Herbizide allein können das Problem nicht lösen. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Grundsätze des Pflanzenbaus. Im Speziellen etwa normale ackerbauliche Maßnahmen wie mechanische Ungraskontrolle vor der Saat. Ziel muss sein, den Acker vor der Saat ungrasfrei zu haben. Dann ist der Saattermin sehr wichtig. Grundsätzlich gilt: Je früher ich säe, desto besser können sich Unkräuter entwickeln. Deshalb den Saattermin nach hinten schieben.
Eine große Rolle spielt auch die Fruchtfolge. Wenn ich nur Wintergetreide und Raps anbaue, dann fördert das natürlich den Ackerfuchsschwanz. Deshalb ist es wichtig, Sommerungen einzubauen: Sommergetreide, Zuckerrüben, Mais. Außerdem: pflügen, anständige Bodenbearbeitung, Saatgutablage. Wer das alles beherzigt, hat schon viel gewonnen.
Dirk Kerlen
Und wie sieht’s mit Herbiziden aus?
Das ist natürlich ebenfalls ein wichtiger Faktor. Wenn ich immer nur Herbizide gegen Ackerfuchsschwanz im Frühjahr einsetze, stehen mir nur zwei Wirkstoffmechanismen zur Verfügung, die beide relativ stark zur Resistenzselektion neigen.
Warum eigentlich?
Diese Herbizide zielen auf den Lipid- und Fettsäurestoffwechsel, also ACC’ase-Inhibitor, bzw. auf die Hemmung der Acetolactat-Synthase bei den ALS-Inhibitoren in der Pflanze ab. Dies ist lediglich ein Wirkort, an dem die Herbizidwirkung zum Tragen kommt. Die Bodenherbizide, die wir im Herbst haben, greifen in der Zelle an mehreren Stellen unspezifisch an. Selbst wenn wir an einer Stelle eine Mutation haben, können sie immer noch an anderen Stellen wirken. Darum sind sie deutlich unkritischer in der Resistenzausprägung.
Ist denn mit Neuentwicklungen vonseiten der Industrie zu rechnen?
Natürlich forschen wir mit aller Kraft. Die letzte Entdeckung bzw. Einführung eines Produktes mit einem neuen Wirkstoffmechanismus im Bereich Getreideherbizide liegt schon längere Zeit zurück und ist auf mittlere Sicht auch nicht zu erwarten. Und wenn wir jetzt auf einen neuen Mechanismus stoßen sollten, dauert es mindestens zehn Jahre, bis das Produkt auf den Markt kommen kann.
Resistenztest im Labor (Foto: Bayer)
Welche Folgen hat das?
Ein durchgängiges Resistenzmanagement lässt sich nur noch schwer generieren. Denn es ist ja nicht nur so, dass wir keine neuen Wirkstoffe haben, auch die Re-Registrierung vorhandener Wirkstoffe wird schwieriger, die Auflagen werden größer, die Zulassung wird kürzer.
Was kann die Industrie tun?
Forschen und nochmals forschen. Gleichzeitig aber auch beraten. Dazu gehört natürlich auch unser Demonstrationszentrum Resistenzmanagement Ackerfuchsschwanz in Anröchte-Berge bei Soest. Dort läuft seit 2011 ein Langzeitversuch unter Praxisbedingungen. Da geht es um unterschiedliche Fruchtfolgen, verschiedenartige Verfahren der Bodenbearbeitung und natürlich auch um Herbizidstrategien. Das alles immer im Hinblick auf die Besatzdichte von Ackerfuchsschwanz und dessen Resistenzstatus.
Wie wird das angenommen?
Inzwischen sehr gut. Wir haben sogar Nachfrage aus dem Ausland. Denn: Resistenzen gibt es leider überall.
Dirk Kerlen ist bei Bayer verantwortlich für das technische Marketing und die Beratung für Getreideherbizide. Ein Schwerpunktthema ist für ihn das Resistenzmangement.
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