Agrar Magazin

Weizen - Kontrolle

Resistenzen – jetzt handeln!

Experteninterview – Lesezeit ca. 4 Minuten

Von Ackerfuchsschwanz bis Windhalm: Herbizid-Resistenzen nehmen zu, die chemische Wirkstoffpalette hingegen nimmt ab. Was können Landwirte tun, um Ernterückgänge zu verhindern?

Umdenken, sind sich Manja Landschreiber von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein und der ehemalige Beratungsmanager Dr. Manfred Rambow, Bayer CropScience Deutschland, einig. Wir trafen beide zum Gespräch.

Das Thema Resistenzen ist nicht neu. Wie kam es dazu, dass sich die Lage in Norddeutschland so zugespitzt hat?

Manja Landschreiber: Es kommen verschiedene Dinge zusammen: Frühsaaten, oft auch kombiniert mit Dünnsaaten , eine stark wirtschaftlich ausgerichtete Fruchtfolge von Raps, Weizen und Gerste und zusätzlich die Gewissheit, regelmäßig ein neues Pflanzenschutzmittel als Problemlöser an die Hand zu bekommen. Eine Wirkstoffgruppe nach der anderen wurde gegen Ackerfuchsschwanz an die Wand gefahren. Ackerbauliche Tugenden traten in den Hintergrund.

Manfred Rambow: Das Thema Resistenzen ist schon seit den 1980er Jahren hochaktuell in Norddeutschland. Damals wie heute sprachen Unkräuter nicht mehr auf gängige Herbizide an. Neue Produkte und verbesserte Wirkstoffkombinationen ließen Landwirte allerdings immer wieder aufatmen – und weitermachen wie bisher. Ein Umdenken in Richtung Resistenzmanagement fand kaum statt, obwohl es dringend notwendig gewesen wäre. Neu entwickelte Strategien fanden kaum Anklang.

Warum konnten sich diese Strategien nicht durchsetzen?

Manfred Rambow: Wir Menschen ändern liebgewonnene Konzepte immer erst dann, wenn es nicht mehr anders geht. So haben sich in vielen Gebieten Anbaupraxen etabliert, die zwar durch den Einsatz von Herbiziden erfolgreich sind, der Resistenzproblematik aber nicht Rechnung tragen. Bei Saatterminen Anfang September hat beispielsweise Ackerfuchsschwanz genügend Zeit, um sich bereits im Herbst stark zu entwickeln. Dessen Keimverhalten lässt sich also nicht mit der Anbaupraxis in Norddeutschland vereinbaren. Reduzieren Landwirte zudem die Aussaatmenge und verzichten auf einen Herbizideinsatz im Herbst, trägt das zu üppigen Ungras-Populationen bei. Doch langsam findet ein Umdenken statt.

Manja Landschreiber:
Trotz aller Aufklärungsversuche mussten wir feststellen, dass die Zeit dafür noch nicht reif war. Eine Erkenntnis aus unserem 2009 gestarteten Ackerfuchsschwanzprojekt: Unser Konzept mit einer aufgeweiteten Fruchtfolge und zwei Saatzeiten war den Landwirten zu radikal. Inzwischen akzeptieren sie, dass sie etwas ändern müssen. Weil sie sehen, dass beispielsweise eine spätere Saatzeit den Ackerfuchsschwanzdruck deutlich reduziert. Der Hauptauflauf des Ungrases findet im September statt. Je später Landwirte ihre Felder bestellen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, den Ackerfuchsschwanz vor der Getreideaussaat zu bekämpfen. Das gelingt etwa mit einer Scheinsaat, auch „Falsches Saatbett“ genannt. Dazu kommt: Je weniger Ackerfuchsschwanz in der Kultur aufläuft, desto besser für die Herbizide – Stichwort Wirkungsgrad und Selektionsdruck.

Was können Landwirte außerdem tun?

Manja Landschreiber: Es gibt verschiedene Maßnahmen. Einerseits gilt es, die starren Winterungsfruchtfolgen aufzulockern. Durch den Anbau von beispielsweise Sommergerste oder Hafer besteht die Chance, das Samenpotential im Boden zu reduzieren. Die Zeit im Herbst können Landwirte, natürlich immer in Abhängigkeit von der Witterung, dafür nutzten. Andererseits müssen Landwirte die mechanische Bodenbearbeitung, wie Striegeln, gezielter einsetzten, um Ackerfuchsschwanz im Vorwege zum Auflaufen zu bringen und zu beseitigen. Nur so lässt sich langfristig das Bodenpotential des Ungrases reduzieren.
  • Infografik: Resistenzmanagement
  • Additive Biopower
  • Bestand früh behandeln
  • Bodenbeschaffenheit beachten
  • Luftfeuchtigkeit entscheidend
  • Düsenstärke
Resistenzmanagement

Was gibt es zu beachten? Die Infografik gibt den Überblick!

Gehen mit Sommerrungen nicht wirtschaftliche Einbußen einher?

Manja Landschreiber: Wenn man sich nur auf die reinen dt/ha bezieht, ist es wohl so. Aber das ist wie so oft nur die halbe Wahrheit. Ist ein Boden erst einmal mit Ackerfuchsschwanzsamen verseucht, steigen die Herbizidkosten. Kommen zusätzlich noch Resistenzen hinzu, steigen Ertragsverluste. Das wird oft in der Betrachtung vergessen. Außerdem ist der Pflanzenschutzaufwand in einer Sommerung deutlich niedriger. Landwirte müssen allerdings den Faktor Sommerung effektiv nutzen, um Ackerfuchsschwanz zu reduzieren. Auch Zwischenfrüchte können eine Chance bieten, um den Ungrasdruck zu reduzieren – und damit Resistenzen vorzubeugen. Hier ist jedoch noch Versuchsarbeit gefragt, um die Zwischenfrucht im Gesamtkomplex zu integrieren. Dabei gilt es Fragen zu klären, wie „Abtrocknen der Böden im Frühjahr“ oder „Umgang mit der Zwischenfrucht in milden Wintern ohne Glyphosat und gleichzeitiger Nässe“.

Manfred Rambow:
Speziell Sommerrungen – auch mit Leguminosen – sind deshalb ein ideales Mittel. Denn so können Landwirte mit anderen Herbiziden arbeiten und bekommen durch den Wirkstoffwechsel die Schadpflanzen besser unter Kontrolle. Schließlich lässt sich bereits vor der Aussaat der Frühjahrskultur die bestehende Ackerfuchsschwanz-Population eliminieren. Ackerbauliche Maßnahmen wie die mechanische Bodenbearbeitung sind dabei allerdings ebenso wichtig.

Mit Blick in die Zukunft: Was muss sich ändern?

Manja Landschreiber: Wir brauchen eine systemische Sichtweise. Ackerbauliche Maßnahmen müssen als Gesamtkonstrukt und nicht alleinstehend betrachtet und ausgeführt werden. Zudem sollten wir uns speziell in Norddeutschland von den reinen hochklassigen Winterungsfruchtfolgen verabschieden. Insbesondere auf Anbauflächen, die von Ackerfuchsschwanz befallen sind, kommen Landwirte mit der Fruchtfolge Raps, Weizen und Gerste nicht weiter. Spätestens dann, wenn Glyphosat aus dem Ackerbau verschwinden sollte, ist das Verfahren Scheinsaat/Falsches Saatbett so nicht mehr durchführbar. Bekämpfen Landwirte Ackerfuchsschwanz vor der Aussaat mechanisch, würde der gebotene Lichtreiz nur eine neue Ackerfuchsschwanzwelle auslösen. Die momentan stark diskutierte Mengenreduktion des Bodenwirkstoffes Flufenacet würde die Landwirte demnach noch weiter in ihren Werkzeugen reglementieren. Die Folge: Je mehr Ackerfuchsschwanz im Herbst stehenbleibt, desto größer ist der Druck auf die blattwirksamen Frühjahrsherbizide.

Manfred Rambow:
In einigen Gebieten Norddeutschlands ist es inzwischen fünf nach zwölf! Für Berater und Landwirte führt kein Weg an neuen Strategien vorbei, um den Ungrasdruck auf den Anbauflächen durch resistente Pflanzen zu reduzieren. Landwirte können sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Industrie neue Produkte entwickelt, wenn die alten ihre Wirksamkeit aufgrund von Resistenzen einbüßen. Die Bedingungen für die Entwicklung und Zulassung von Herbiziden unterliegt heutzutage wesentlich strengeren Regularien. Trotz intensiver Forschung finden wir derzeit kein neues Mittel.

Was empfehlen Sie Landwirten?

Manfred Rambow: Die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein hat sehr gute Strategien entwickelt: Breite Fruchtfolgen, ein souveränes Wirkstoffmanagement und eine situative Bodenbearbeitung. In der Vergangenheit verzichteten Landwirte aus zeitlichen oder finanziellen Gründen auf altbewährte Maßnahmen bei der Bodenbearbeitung. Inzwischen haben sich die Höfe auf einzelne Maschinen spezialisiert, um Unterhaltungskosten zu rationalisieren. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Außerdem wichtig: ein breites Herbizid-Portfolio mit echtem Wirkstoffwechsel.

Manja Landschreiber: Landwirte sollen nicht von jetzt auf gleich den kompletten Betrieb umkrempeln, sondern müssen auf den schlimmsten Flächen beginnen. Wichtig ist, anzufangen und sich nicht von Rückschlägen, die mit Sicherheit eintreten werden, entmutigen zu lassen. Generell sollten sie sich auf ursprüngliche Methoden rückbesinnen, die aufgrund gut wirksamer Herbizide in den Hintergrund gerückt sind. Denn Pflanzenschutzmittel sind nur eine von mehreren ineinandergreifenden Maßnahmen. Wir brauchen ein langfristiges Denken und Handeln, damit die Felder sauber bleiben – und wieder werden.
Manja Landschreiber arbeitet seit 2002 bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein. Als Referentin für Pflanzenschutz in der Region Süd-Ost ist sie Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um die Themenfelder Unkräuter, Ungräser und Rapsschädlinge.
Dr. Manfred Rambow war ehemaliger Beratungsmanager bei Bayer CropScience Deutschland. Der Pflanzenschutzexperte sorgte für den Wissenstransfer in die Beraterlandschaft von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und förderte den Meinungsaustausch zwischen Beratern, Unternehmen und Hochschuleinrichtungen.
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