Agrar Magazin / AgrarGespräch

Feld und Orstschild mit Beschriftung Land und Stadt
AgrarGespräch

6. AgrarGespräch am 7. Juli: Zukunft ländlicher Raum – innovativ oder doch abgehängt?


Ländliche Räume sind Arbeitsstätten für Landwirte und gleichzeitig Sehnsuchtsorte für die städtische Bevölkerung. In der Diskussion „Land versus Stadt“ prallen Wertschöpfung und Wertschätzung oftmals hart aufeinander. Wie lassen sich Gegensätze abmildern und Missverständnisse abbauen? Darüber diskutierten am 7. Juli Vertreterinnen und Vertreter aus Industrie, Politik, Verbänden und der Kommunikationsbranche beim 6. AgrarGespräch 2021.

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6. AgrarGespräch: Ländlicher Raum - innovativ oder abgehängt?

In der Diskussion „Land versus Stadt“ prallen Wertschöpfung und Wertschätzung oftmals hart aufeinander. Wie lassen sich Gegensätze abmildern und Missverständnisse abbauen? Darüber diskutierten am 7. Juli Vertreterinnen und Vertreter aus Industrie, Politik, Verbänden und der Kommunikationsbranche beim 6. AgrarGespräch 2021.

In Ihrer Einführungsfrage bat Stefanie Pionke, Chefredakteurin der Agrarzeitung, die Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes, Petra Bentkämper, darum zu definieren, welchen Stellenwert der ländliche Raum in den Diskussionen der Zukunftskommission eingenommen hat. Petra Bentkämper meinte dazu, man hat sich zwar mit sozialen Handlungsfeldern beschäftigt, aber der Bereich ist nicht explizit und ausführlich thematisiert worden. „Der Strukturwandel verändert den ländlichen Raum, das ist allen bewusst“, führte sie aus. Früher war die Landwirtschaft die tragende Säule jedes Dorfes gewesen. Das hat sich sehr verändert. Heute braucht es neue Akteure mit neuen Ideen, um das soziale Leben aufrecht erhalten zu können. Nicht alle Themen des ländlichen Raums werden von der Agrarpolitik abgedeckt, es sind alle Ministerien oder auch Gebietskörperschaften, vor allem aber die Menschen gefragt, um den ländlichen Raum attraktiv zu gestalten.

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Carina Konrad verwies zunächst auf die nachlassende Wirtschaftskraft. „Deutschland ist beispielsweise im Landmaschinensektor kein Exportweltmeister mehr“, führte sie aus. Das wirkt auch im ländlichen Raum. Der muss wieder ein wirtschaftliches Kraftzentrum werden. „Das ist schwierig zu erreichen, weil wir in Deutschland überbürokratisiert und unterdigitalisiert sind,“ fasste sie zusammen. Es fehlt auch Planungssicherheit auf vielen Ebenen. Das liegt auch daran, dass in Deutschland oftmals die falschen Fragen gestellt werden und nicht die relevanten. Die Aufgabe der Politik sieht sie darin, Innovationen im ländlichen Raum zu ermöglichen, etwa eine attraktive Ansiedlungspolitik, oder individuelle Chancen zuzulassen. Sie fasst dies in dem Begriff Entfesselungspolitik zusammen. Sie erlaubte sich an der Stelle den Hinweis, dass diese Forderungen im FDP- Programm ihren deutlichen Niederschlag gefunden haben.

Für Peter R. Müller, Geschäftsführer Bayer CropScience, ist der ländliche Raum natürlicherweise von großer Bedeutung, „denn dort sind unsere Kunden.“ Die digitale Infrastruktur in Deutschland als Voraussetzung für eine nachhaltige Landwirtschaft hält er für stark verbesserungswürdig. Die Coronakrise hat gezeigt, dass völlig neue Arbeits- und Lebensmodelle für die Zukunft denkbar sind. „Die Investition in die Infrastruktur des ländlichen Raums hat für uns eine elementare Bedeutung“, so Müller. Der Bayer-Geschäftsführer sieht aber nicht nur die eine, sondern viele Schrauben, an denen kräftig gedreht werden muss. „Wir müssen in Deutschland unternehmerischer werden!“

Andreas Möller sieht das ähnlich, brachte den Begriff der Akzeptanz in die Diskussion ein. Viele Dinge, etwa die Zusammenhänge eines liberalisierten Weltmarktes oder eines marktbestimmenden Lebensmitteleinzelhandels, werden vom Verbraucher in seiner Komplexität nicht mehr verstanden. Die Diskussion um die Landwirtschaft ist oftmals von sogenannten weichen Themen mit geringer Akzeptanz bestimmt.

Bentkämper sieht für die Landfrauen die große Aufgabe, den verloren gegangenen Kontakt zur Gesellschaft wieder aufzubauen. Das sieht man sogar im eigenen Verband. Von den 450.000 Mitgliedern sind längst nicht alle in der Landwirtschaft tätig, „sogar in den eigenen Reihen müssen wir Aufbauarbeit leisten“, sagte sie. Die Menschen auf die Höfe holen, beispielsweise Schulklassen, die Direktvermarktung oder Angebote für „Ferien auf dem Bauernhof“ sind geeignet, Kontakte herzustellen und Wissen zu vermitteln.

Möller gab den „Landlusteffekt“ zu bedenken. Aber Volkswirtschaft funktioniert immer auch betriebswirtschaftlich, deshalb kann man die Schaffung neuer Einkommensquellen natürlich nicht kritisieren. Aber wer die falschen Vorstellungen vom Landleben für seine Kunden bedient, muss auch damit rechnen, dass moderne Landwirtschaft nicht verstanden wird. Auf diese Weise erfolgreich agierende Landwirte entwickeln schnell einen Binnenblick nach dem Motto „das ist nicht mein Bier“. Man darf auch nicht so naiv sein, allein mit direkten Kontakten das Ruder herumreißen zu können. „Meinungsbildung erfolgt heute nicht mehr empirisch“, so Möller. „Die Gesellschaft folgt einem medialen Bild.“

Bentkämper dazu: „Was wir auf unseren Höfen tun, macht eben auch den Charme des ländlichen Lebens aus.“ Sie sieht in der Diversifizierung zudem eine große Chance, speziell für Frauen, die sich damit eigenständige Betriebszweige aufbauen können.“

Auch Bayer möchte einen maßgeblichen Beitrag zur Kommunikation über Landwirtschaft leisten. „Dafür haben wir unser Konzept ForwardFarmig geschaffen“, erläuterte Müller. „Hier können wir an inzwischen vier Standorten aufzeigen, wie sich moderne, nachhaltige Landwirtshaft und gesellschaftliche Forderungen nach mehr Biodiversität ökonomisch miteinander verknüpfen lassen.“ Die ForwardFarms stehen Besuchern offen.

Wie kann das Land und explizit die Landwirtschaft attraktiver werden für junge Menschen, wollte Pionke im zweiten Part des AgrarGesprächs wissen. „Für Quereinsteiger ist sehr schwierig“, meinte Carina Konrad, „einen Betrieb von Null aus aufzubauen ist sehr kapitalintensiv und kaum zu stemmen.“ Um potenzielle Hofnachfolger zu binden, ist die Qualität der Ausbildung von Bedeutung. Hier kann man von den Winzern lernen. Marketing und Vermarktung gehörten auf den spezialisierten Betrieben längst zum täglichen Geschäft. Neben den direkten Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft hat Corona neue Möglichkeiten für die Organisation von Arbeit geschaffen. Das sieht Müller auch im eigenen Unternehmen. „Wir wollen die positiven Effekte der Homeoffice-Arbeit übernehmen und neue Strukturen schaffen im Unternehmen und im Umgang mit den Kunden.“ Die Politik muss hier die Infrastrukturen bereitstellen, damit die Menschen dortbleiben könnten, wo sie zu Hause sind.

Mit Blick auf die regionale Wertschöpfung sieht Möller viele widersprüchliche Signale in der Debatte. Er empfiehlt, die individuellen „Anfangsprobleme“ mehr in der Vordergrund zu stellen und nicht immer nur vom Ziel her zu denken. Konrad ergänzte, dass man Gleichwertigkeit nicht mit Gleichheit verwechseln darf. Am Beispiel der Forderung nach regionalen Schlachtstätten gab sie zu bedenken, dass regionale Wertschöpfungsketten auch vom Markt getragen werden müssten und Investitionen in solche Strukturen auf Planungssicherheit angewiesen sind.

Ein speziell landwirtschaftliches Modell der Wertschöpfung stellte Müller mit dem neuen Bayer Carbon Farming-Projekt vor. Solche Konzepte berücksichtigten in besonderem Maße auch die Rolle des Landwirts als Unternehmer. So kann er seiner Rolle im Zusammenhang mit dem Klimawandel gerecht werden und gleichzeitig die Ökonomie des Betriebes sichern.

In der Schlussrunde gab Andreas Möller den Tipp an Städter: „Fahrt raus und geht aufs Land“, Carina Conrad zeigte sich „eng verbunden mit den Menschen im ländlichen Raum“, Petra Bentkämper ist hoffnungsfroh, weil im Rahmen der Zukunftskommission die Deutsche Landjugend und die Jugendbewegung des BUND eine gemeinsame Stellungnahme erarbeitet haben, Peter R. Müller sieht die Zukunft des ländlichen Raums positiv und wünscht sich, dass wir uns in Deutschland einfach mal wieder besser verstehen.

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